Big-Port Modelle

AJS bezeichnete offiziell erst 1934 Modelle mit dem Namen „Big-Port“.
Doch schon 1922 war es eine Maschine für die Junior, die für die Fans diesen berühmten Namen trug.
Sie war die Weiterentwicklung der OHV-Ajay von 1920, mit der Cyril Williams damals die TT gewann. So können wir also die Spur der „Big-Ports“ bis zu diesem Epoche machenden Modell zurückverfolgen.

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Nach dem Erscheinen der Maschine auf dem Markt im Jahr 1920 wurde sie natürlich sofort von den potentiellen Kunden unter die Lupe genommen. Bei näherer Betrachtung konnte man erkennen, dass es sich bei dem Rahmen um den gleichen wie der seitengesteuerten TT-Siegermaschine von 1914 handelte, nur war die Maschine mit kantigem Benzintank ausgestattet.

Ein Jahr später hatte er die bekannte, länglich-runde Form und wurde zwischen den beiden oberen Rahmenrohren angeschraubt.

Zunächst glaubte man auf einen externen Öltank verzichten zu können, erst zur TT befand sich ein solcher am Sattelrohr. Die manuelle Ölpumpe wurde gegen die Kraft einer Feder mittels Hebel vom Lenker aus betätigt.

1924 AJS Big Port
1924 AJS Big Port

Wie gewöhnlich bestand der Zylinderkopf aus Gusseisen und war mit vertikalen Kühlrippen versehen. Durch einen demontierbaren Bügel wurde er auf den Zylinder gedrückt. (Keine durchgehenden Bolzen von Kopf zum Kurbelgehäuse !!)

Der Ventilwinkel betrug 45°, betätigt wurden sie durch schräg nach oben stehende Stoßstangen.

Der mit vier Ringen versehene Kolben war gleichfalls aus Gusseisen und wurde von einem aus Schmiedestahl gefertigten Pleuel geführt.

Während das Pleuel auf einem Rollenlager lief, wurde die Kurbelwelle in Gleitlager gebettet.

Für die Zündung sorgte ein Thompson-Bennett Magnet, der leicht erhöht vor dem Zylinderfuß saß. Antrieb wie gewöhnlich durch Rollenkette.

Die Brennstoffzubereitung übernahm ein AMAC-Vergaser.

Höchst interessant war die Kraftübertragung der TT-Siegermaschine von 1920, denn zum zweigängigen Getriebe gesellte sich eine zweistufige Vorwelle, so dass insgesamt vier Übersetzungsverhältnisse zur Verfügung standen.

Die Geschichte war ziemlich aufwendig, denn neben zwei gleichgroßen Zahnrädern auf dem Kupplungskorb waren noch auf der Verlängerung der Kurbelwelle zwei leicht unterschiedlich große Ritzel aufgesetzt, die mit einem am Lenker angebrachten Hebel während der Fahrt bedient werden konnten.

Wenn das kleine Ritzel eingelegt war, entstand eine normale oder kleine Übersetzung. Bei der großen Übersetzung wurde das Risiko des Überdrehens auf den langen Talfahrten verhindert.

Somit standen in jedem Gang zwei unterschiedliche Fahrstufen zur Verfügung.

Leider war es diese unorthodoxe Konstruktion, die AJS den Sieg kostete.

An den beiden führenden Maschinen fiel die Hakenschaltung aus, dadurch war es unmöglich, einen anderen Gang einzulegen. Selbst der endgültige Sieger, Cyril Williams fand die Schaltung ziemlich schwierig. Howard Davies fuhr mit der Experimental-AJS auf der Brooklandsbahn bei London und erreichte als erster Fahrer mit einer 350er mehr als 80 Meilen.
Über den fliegenden Kilometer erreichte er 80,67 mph und beim Chepstow Speed Trial 81,8 mph über die fliegende Viertelmeile.
In Brooklands brach er 12 Klassen- und 8 internationale Rekorde.

1921 Kelly TT
1921 Kelly TT

1921 baute man auf ein gewöhnliches Dreiganggetriebe mit korkbelegter Mehrscheiben-Kupplung um.
Unverändert blieben Hub und Bohrung mit 74 x 81 mm. Der Hubraum ergab somit genau 349 cm³. Weitere kleinere Veränderungen betrafen den neuen Ventilwinkel von 30°. Das dafür verwandte Material war Nickelchrom, die Form entsprach einer Trompete oder Tulpe. Die Stoßstangen standen jetzt fast parallel.

Erheblich steifere Stahlplatten als Träger der Kipphebelwellen und eine starke Zugfeder zwischen den Kipphebel zur Verhinderung von Berührungen waren weitere Verbesserungen. Ein neuer Kolben aus Stahl mit gewölbtem Boden und unterschiedlichen Taschen für die Ventile lief im weiterhin gusseisernen Zylinder. Durchmesser des Ein- und Auslasskanals betrug 19/16 ".

Aus Erfahrungen mit der 1920er wusste man, dass Undichtigkeiten zwischen Zylinder und Kopf viel Leistung kosteten. Jedes Teil bestand aus Gusseisen, sodass der Kopf auf den Zylinder eingeschliffen werden musste. Nach einigen Versuchen fand man für 1921 die Verwendung einer Kupfer-Asbestdichtung als bessere Lösung.
Ein Lucas-Magnet ersetzte das TB-Exemplar und nun konnte die Ölpumpe auch per Fuß durch ein zusätzliches Pedal auf der rechten Seite betätigt werden.
Äußerlich wurde die Druidgabel und der Rahmen verstärkt und wie erwähnt, der „Ziegelsteintank“ durch das runde Exemplar ersetzt.

Diese eine Maschine schaffte das Double in der TT, indem sie als 350er auch in der Senior dominierte. (Und dabei alle großen Marken, wie Norton, Velocette, Sunbeam fürchterlich verblies!)

Nun kommen wir aber zur richtigen Big-Port, wie sie in der 1922er TT lief.

1922 Harris TT
1922 Harris TT

Das Besondere daran waren die innen wirkenden Bremsen an Vorder- und Hinterrad, die zusammen betätigt werden konnten.
Ein verbessertes Dreiganggetriebe mit verschiedenen Zahnrädern ließ Übersetzungsverhältnisse von 8,28, 6,05 und 4,93:1 zu.
Durch eine Verkürzung des Sattelrohres saß der Fahrer erheblich tiefer, wobei auch die Reifen im Format 650x 65 mm eine Rolle spielten.
Zur Verfügung standen verschiedene Nockenwellen, die höchste Erhebung des Nockens war gleich dem Durchmesser der Zahnräder, die zudem auf Kugellagern liefen.

Die Kurbelwelle mit den Stahlschwungscheiben wurde durch einreihige Rollenlager gestützt. Beträchtlich vergrößert zeigte sich der Auslass, der nun gewaltige 1 5/8 " = 41,2 mm maß. Zur Folge hatte dies ein bemerkenswert dickes Auspuffrohr, welches bei einer solch kleinen Maschine natürlich riesig wirkte.
Der geneigte Leser versteht nun auch, warum das Teil den Namen „Big-Port“ erhielt, was soviel wie „Dickes Rohr“ heißt.

Zum ersten Mal wurde ein vierringiger Aluminiumkolben eingesetzt, mit dem man das Verdichtungsverhältnis auf 5,7:1 erhöhen konnte.
Dies war die berühmte Big-Port, die viele Fahrer zu einer hoffnungsvollen Karriere führte.

In jenen Jahren hatten die vier Stevensbrüder alle Führungspositionen in der Hand. Jack war der Herstellungschef, Harry Hauptgeschäftsführer, Joe der Mann der Entwicklungsabteilung und George Verkaufsleiter.

1923 erschien für den Kunden auf der Motorcycle Show die TT-Maschine als AJS Super-Sports (s. Kap. 1920 bis 1939). 
Die TT-Maschinen sahen gegenüber dem Vorjahr wirklich unverändert aus, doch die Big-Ports des Jahres 1924 mussten einige Veränderungen über sich ergehen lassen.
Eigentlich waren sie nur noch an den goldenen Buchstaben AJS zu erkennen, so sehr unterschieden sie sich von den Vorgängern.

Durch besondere Anschlüsse am oberen Rahmenrohr wurden die beiden 1 ½ Gallonen fassenden Tankhälften aneinander geschraubt. Von der gefährlichen Stelle vor dem Kurbelgehäuse wanderte der Magnet nun auf eine Plattform hinter den Zylinder. Ziemlich neu sah der Motor aus, allein schon durch doppelte Streben, die den stärker verrippten Zylinderkopf zum Rahmen abstützten.

Ein Zweidüsenvergaser von BINKS, der sog. Mäusefallenvergaser ersetzte das AMAC-Exemplar.
Unverändert blieb, dass er direkt in den Einlasskanal hinein geschraubt wurde.
Durch eine Rotoplunger (d.h. rotierende Kolben-) Ölpumpe wurde das Motorenöl zum separat angebrachten Öltank und zurück befördert.

Wahrlich revolutionär war die Vergrößerung des Einlass- gegenüber dem Auslassventil.
Ebenfalls größer war nun der Ventilwinkel mit 42°. Demgegenüber verringert wurde der Auslasskanal auf 1 ½ " und der Einlass auf 5/16", die Überschneidung betrug 40°.

Doppelte zylindrische Ventilfedern, Stößel, die direkt, ohne Kipphebel auf den Nocken liefen und erleichterte Stoßstangen waren die anderen Besonderheiten dieser Konstruktion.In der so genannten Rockerbox wurden die Kipphebelarme mittels einer Vierkantaufnahme auf die durch Graphit geschmierte Welle gesetzt.
Als Material für den Kolben wählten die Ingenieure Aluminium, wodurch die Verdichtung auf 6:1 erhöht werden konnte. Ausgefräste Taschen auf dem Kolbenboden verhinderten Kontakt zwischen Ventil und Kolben.
Die Kraftübertragung besorgte ein Dreiganggetriebe und eine Mehrscheibenkorkkupplung. Die Übersetzungsstufen betrugen 9,91, 6,47 und 5,27:1.

Diese Maschine war das Ergebnis der auf der ganzen Welt gesammelten Rennerfahrungen.

Im Jahr 1926 entstand eine Version mit 498 cm³, die als erste Maschine überhaupt eine 70-Meilenrunde in der TT schaffte. 1927 fuhr AJS mit OHC-Maschinen, um ein Jahr später wieder zu den Big-Ports zurückzukehren.

AJS H10
AJS H10

Dies war ihr letzter offizieller Auftritt in Douglas.

Gras-, Sandbahn- Berg- und Beschleunigungsrennen, Trials, Scrambles und Rundstreckenrennen, überall wo Motorradsport betrieben wurde, konnte man die Big-Ports antreffen. Lange bevor spezielle Speedwaymaschinen existierten und Dirttrack-Rennen in Australien populär wurden, stellten die zierlichen Renner aus Wolverhampton das Gros dieser Wettbewerbsmodelle dar.

Erwähnt werden sollte auch, dass die Firmenleitung beabsichtigte, auch eine spezielle Speedwaymaschine zu bauen, doch nach vielen Diskussionen setzte sich die Überzeugung durch, dass dies den Verpflichtungen aus Straßensport und Massenproduktion zuwider laufen würde.

1928 AJS KR8
1928 AJS KR8

In diesen goldenen Jahren war der Sandbahnsport sehr populär. Auf Plätzen wie Southport, Saltburn, Pendine, St. Andrews und Kirkcaldy wurden die großen Duelle ausgetragen. Der große Jimmy Simpson erwarb sich dort auf einer Big-Port seine ersten Meriten.

Der König des Sandes war aber ein anderer AJS-Fahrer, nämlich Ronnie Parkinson, der - falls seine Maschine hielt - in der 350er Klasse eigentlich unschlagbar war und sich auch in der offenen Klasse mit der Meute der "großen Buben“ herum schlug.

Aber auch bei Sprintveranstaltungen zeigten sich die schwarzen Wolverhamptoner Schönheiten von ihrer besten Seite. Die Asse hießen wieder Simpson, Parkinson und Rowley. Die leichtgewichtigen AJS mit dem leistungsstarken Triebwerk waren geradezu ideal für diese Wettbewerbe.

Aufgrund der gesetzlichen Restriktionen gab es zu diesem Zeitpunkt auf dem Festland mit der Ausnahme des kleinen Kurses von Syston Park nur wenige Straßenrennen.
Die Brooklandsbahn zog wegen ihrer besonderen Beschaffenheit und des dort erforderlichen Fahrstils nicht wenige Fahrer an.

Da sich der durchschnittliche Privatfahrer eine Teilnahme an den Straßenrennen der Amateure im September auf der Isle of Man oder anderen Veranstaltungen in Irland und weiter entfernt nicht leisten konnte, kamen die Grasbahnrennen überall auf dem Land zu immer größeren Teilnahmefeldern.

Auch an diesen Rennen nahmen die Big-Ports höchst erfolgreich teil.

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