AJS und die TT–Rennen nach dem Ersten Weltkrieg - Eine nicht enden wollende Siegesserie

Mit dem Wissen um die Erfolge in der TT 1914 begaben sich Jack Stevens und seine Brüder nach dem Ende der Feindseligkeiten 1918 wieder an die Arbeit mit ihrer Geheimwaffe.

Dies war eine kopfgesteuerte Maschine mit zwei aufrecht im Kopf stehenden Ventilen – eine völlig neue Entwicklung für einen britischen Hersteller.

Als man 1920 die neue OHV-Maschine in Douglas an Land schaffte, wurde sie gleich von den Rivalen umlagert, ungläubig schüttelten sie den Kopf, als die von der Leistung von 10 hp hörten – für die damalige Zeit ein geradezu unglaublicher Wert. Zudem wurde die Vorkriegskraftübertragung durch ein erfinderisches 2-2–Arrangement ersetzt.

Das AJS-Team bildeten Eric Williams, Cyril Williams, Howard Davies, H.V. Prescott, Ossie Wade und Tom Sheard. Wade fuhr mit der 3-Gang-Version.

Howard Davies am Start der Senior TT 1922
Howard Davies am Start der Senior TT 1922

Für den aufmerksamen Beobachter des Trainings konnte es für das Rennen nur einen Sieger geben: die neuen AJS waren schneller als die anderen, besaßen eine immense Beschleunigung und wurden von guten Fahrern gelenkt.

Aber im Rennen schlug der Defektteufel zu und einer nach dem anderen aus dem AJS-Team fiel mit technischen Problemen aus, so dass vom einstigen vorzüglichen halben Dutzend nur Cyril Williams übrig blieb.

Ein ausgepumpter Cyril Williams
Ein ausgepumpter Cyril Williams

Der besaß auf seinen nächsten Bewerber, der überraschenderweise Clark mit der Viertelliter-Levis war, schon einen beträchtlichen Vorsprung. Die Zuschauer meinten schon, dass er die Maschine auch schieben könnte und immer noch siegen würde – und genauso kam es auch!! Bei Keppel Gate, fast vier Meilen vor dem Ziel, entwickelte sich das gesunde Knattern der OHV-AJS zu einer Serie von Knallern und am Ende zu himmlischer Ruhe.

Williams versuchte verzweifelt den Motor wieder zu starten, doch musste er feststellen, dass der Motor soviel Kompression wie ein löchriger Luftballon hatte. Da gab es nur noch eins für ihn: "I’m walking.“

Als Jack Stevens, der sich an den Boxen in der Clencrutchery Road befand und von dem Drama in den Bergen nichts ahnte, ungeduldig auf Nachricht von seinen überfälligen Fahrern wartete, schob, rollte und quälte sich Cyril Williams mit der waidwunden Maschine über den Kurs.

Nun kam das Publikum an den Boxen in Wallung. Sie sahen, wie Williams bei Governors Bridge seine AJS über den leichten Kamm schob und in den Sattel sprang, um über die Ziellinie zu strampeln.

Er war total erschöpft, außer Atem und kaum in der Lage, die Glückwünsche oder das anerkennende Schulterklopfen zu registrieren.

So ungeheuerlich war sein Vorsprung, dass der letzte seiner ausgefallenen Kollegen ihn noch beglückwünschen konnte, ehe zehn Minuten später der Zweite, Watson-Bourne und der Dritte, Holroyd auf ihren Blackburnes ins Ziel kamen.

Natürlich war die Freude bei den Stevens-Gebrüdern riesengroß über den Sieg, aber gleichzeitig waren sie verärgert über den sinnlosen Zweikampf der Teamkollegen, der zu den technischen Schwierigkeiten, wie mangelnde Kompression und beschädigte Kraftübertragung führte. Zur Verhinderung ähnlicher Probleme wurden die Maschinen für die TT 1921 mehrfach verbessert, u.a. mit einem Dreiganggetriebe und einer Zylinderkopfdichtung aus Kupferasbest.

Howard Davies, in Siegerpose
Howard Davies, in Siegerpose

Howard Davies erledigte einen Großteil der Testfahrten auf der Brooklandsbahn für die nächstjährige Tourist Trophy.

Er prügelte das kleine Maschinchen derart über den Kurs, dass dabei ein neuer Zweistundenrekord mit 65,3mph herauskam (nicht schlecht für eine 350er von 1920).

Davies fuhr mit der Maschine mit der Registriernummer DA 6394 beide Rennen, also Junior und Senior TT.

Diese Entscheidung war bemerkenswert und unvergleichlich in der Geschichte der TT- Rennen. Eric Williams konnte seinen Erfolg von 1914 wiederholen und gewann mit einem Schnitt von 52,11 mph. Howard Davies hätte zweifelsohne leicht gewonnen, aber in der letzten Runde erlitt er einen Reifenschaden und musste mit dem zweiten Platz vorlieb nehmen.

Es war ein rauschender Sieg für AJS. Manxman Sheard wurde Dritter, Privatier Kelly Vierter und Wade und Harris Sechster und Achter. Im sensationellen Senior-Rennen fuhr Davies als Zwerg gegen die Riesen: Bert LeVack und Fred Dixon auf Indian, Jack Emerson und Norman Black mit Douglas, Tom de la Hay, Georg Dance und Alec Bennett auf Sunbeam, Freddie Edmond mit Triumph, Timmy Shaw und Norton, Harry Longman mit einer Scott und viele andere Topfahrer dieser Tage.

Frank Longman mit Werks 500er G10 von 1926
Frank Longman mit Werks 500er G10 von 1926

An die Spitze setzte sich zunächst Fred Dixon auf der roten Indian, einzig unter den TT-Fahrern bevorzugte er Trittbretter anstatt der Rasten. Nur zwei Runden hielt sich die amerikanische Maschine vor Howard Davies, doch durch Fehlzündungen bedingt fiel er immer mehr zurück. Nach einer Rekordrunde von 56,40 mph drückte Edmond seine Triumph an die Spitze. Unbarmherzig gefolgt von Davies, Dance und Bennett auf der langhubigen Sunbeam. Eigentlich musste Dance der Spitze näher kommen, doch zum Vergnügen der Zuschauer hielt Davies und seine unglaubliche AJS nicht nur den zweiten Platz, sondern verringerte den Abstand auf die Spitze.

Alec Benett übernahm die Führung in runde Vier, doch Davies saß ihm im Nacken. Der Sunbeamfahrer versuchte alle Tricks, aber in der fünften Runde überholte die kleine Ajay die 500er und beendete die Runde mit einem Vorsprung von einer Sekunde.

Das war fast unglaublich: mit einem Hubraumnachteil von 150 cm³ stürmte sie jetzt zum großen Sieg – es war wirklich ein kleines Wunder und in den Boxen gab es eine Reihe ganz verwirrter Gesichter.

Die beginnende sechste und letzte Runde ist in die Geschichte der Tourist Trophy eingegangen. Die kleine Ajay mit Davies fuhr ein perfekt eingeteiltes Rennen und begann den Vorsprung zu vergrößern. Dixon zögerte alle Stopps hinaus, überholte Bennett und auch seinen Teamkollegen LeVack, Edmond und seine Triumph fielen weit zurück. Wie vor einem Jahr wartete auch diesmal Jack Stevens in der Box auf Nachricht von seinen Fahrern.

Nachdem Davies Ramsey sicher passierte, vergrößerte er seinen Vorsprung sogar. Dann kam Gooseneck und es waren nur noch 12 Meilen zu fahren, dann der Abstieg von Snaefell bei der Veranda, dann Bungalow, der 37. Meilenstein, Kate’s Cottage, alle bekannten Landschaftspunkte, die er sicher passierte und die AJS vermehrte immer noch den Vorsprung!

In Gedanken an Williams Erlebnis im letzten Jahre kreuzte Jack seine Finger. Die Ajay war nun bei Creg-ny-baa, weniger als drei Meilen lagen vor ihr und Davies musste immer noch einige Minuten Vorsprung auf Dixon haben.

Im zweiten Jahr hintereinander wurde wieder ein AJS-Fahrer vom Publikum beklatscht, als er das Ziel herunter stach.

Unter sich den kleinen Motor, der noch immer so gesund wie am Start klang.

Howard Davies hatte etwas geschafft, was eigentlich für unmöglich gehalten wurde. Zudem hatte er mit 54,50 mph Durchschnitt einen neuen Rekord für die Isle of Man aufgestellt.

Anzeige von 1926
Anzeige von 1926

Dieser historische Doppelsieg führte zu einer bedeutenden Erhöhung der AJS–Produktion und es gab Pläne, auch das OHV–Modell auf den Markt zu bringen.

Mit der nun klassischen „Big–Port“ erschienen die Stevensbrüder ein Jahr später (1922) wieder auf der Insel. Bei dieser Gelegenheit sollten drei 350er mit Davies, Wade und Kelly bei der Senior antreten. Als Zwölfter kam Wade als einziger ins Ziel.

Für die Junior wurden Sheard, Davies, Grinton, Longman, Wade, Kelly, Chambers und Harris gemeldet.

Wieder gab es einen AJS- Triumph mit Tom Sheard als Sieger und einen Schnitt von 54,75 mph vor dem Schotten George Grinton als Zweiten. Chambers wurde Vierzehnter.

1923 begegnete AJS eine Konkurrenz wie nie zuvor.

Eugen Bussinger war ein sehr bekannter und erfolgreicher Fahrer mit AJS aus Deutschland
Eugen Bussinger war ein sehr bekannter und erfolgreicher Fahrer mit AJS aus Deutschland

Jack Stevens beabsichtigte natürlich den Sieg von 1921 in der Halbliterklasse zu wiederholen und stellte mit Howard Davies, Syd Crabtree, C.W. Hough, J.W. Hollowell und H.F.

Harris fünf Big-Ports auf. Mit Crabtree als 17. und Hough als 20. kamen nur zwei Fahrer ins Ziel. In der Junior bestand das Team aus zehn Fahrern, erreicht wurde aber nur Platz Zwei auf der Big-Port mit H.F. Harris.

Hervorragend war die Fahrt von Jimmy Simpson mit der schnellsten Runde von 59,59 mph.

Ein Jahr später war er der erste Fahrer, der die 37 3/4 Meilen mit mehr als 60 mph, genau erstaunliche 64,54 mph auf seiner 350er erreichte. Dies war schneller als Fred Dixons schnellste Runde etwas später in dieser Woche auf der 494er OHV-Douglas!!

Simpson hatte schon ein Auge auf die erste 70 Meilenrunde geworfen und freute sich die neue 498 cm³ OHV-Version der Stevensbrüder.

Howard Davies, Held des Rennens von 1921, hatte sich inzwischen als Hersteller selbständig gemacht; seine Maschinen waren 350 und 500 cm³ HRDs mit JAP-Motoren. Für AJS reichte es nur zur Rekordrunde in der Senior mit der Marke von 68,97 mph. Merklich rückte die 70er Grenze immer näher heran.

Zu dem in diesem Jahr zum dritten Mal ausgetragenen Gespannrennen meldete AJS sehr verwegen eine 354er gegen die Halblitermaschinen von Norton, Douglas mit den berühmten kippbaren Booten und DOT, New Hudson, P+P, Scott, Sunbeam und P+M.

Mit Georg Rowley im Seitenwagen schaffte Simpson in einem bemerkenswerten Rennen den fünften Platz hinter Longmans 500er AJS.

Dreißig Jahre vergingen bis zum nächsten Auftritt von Gespannen auf der Insel, doch weiß man, dass der Ritt von Simpson und Rowley einen Großteil zur Überzeugung beitrug, dass man mit einer 350er ein praktisches Gespann fahren konnte.

Als Jimmy im Jahr 1926 mit der 500er AJS mit 70,43 mph in der ersten Runde einen neuen Rekord aufstellte, schrieb er wieder TT-Geschichte. Kollege Frank Longman erreichte den dritten Platz, vor Stanley Woods auf Norton und Wal Handley auf Rex-Acme. Hinter einer erstmals siegenden OHC-Maschine, nämlich Alec Bennett auf Velocette, schaffte Simpson Platz 2. Seit 1911 war AJS bei zehn Gelegenheiten auf der Insel.

Dabei erreichte die Firma mit ihren Fahrern und Maschinen vier Siege, fünf zweite, vier dritte und drei vierte Plätze in der Junior, sowie jeweils einen ersten, zweiten, dritten und vierten Platz in der Senior, sowie den erwähnten Rang 5 in der Gespannklasse. Daneben wurden noch sieben schnellste Runden verzeichnet.

1925 AJS works team IoM
1925 AJS works team IoM

Die Ajay mit obenliegender Nockenwelle fuhr zum ersten Mal 1927 auf den Kurs mit Jimmy Simpson in dritter Position, in einem Rennen, das Fred Dixon mit seiner 344er HRD-Jap dominierte. Jimmy meinte, mit etwas Dampf hätte er Harold Willis mit der Velocette von Platz 2 verdrängen können.

Am Ende lagen nur 13 sek zwischen den beiden. Im nächsten Jahr wurde George Rowley in der Senior hinter der Sunbeam von Charlie Dodson Zweiter auf der Stoßstangen-AJS. Wieder mal schaffte Simpson die schnellste Runde mit 67,94 mph auf der schwierigen, nassen Piste. Aber in beiden Rennen fiel er aus und wechselte später zu Norton. Obwohl er für die Stevensbrüder kein Rennen gewann, war er der beliebteste und spektakulärste Fahrer dieser Zeit.

1929 erschienen die Londoner wieder mit den OHC-Maschinen auf der IoM. Trotz seines tollen zweiten Platzes im Vorjahr musste George Rowley als Ersatzfahrer zufrieden sein, denn das Team bildeten Wal Handley, Tommy Spann, Frank Longman und Ronnie Parkinson. Zweiter Ersatzfahrer war Leo Davenport.

In der Junior wurde Handley nur knapp durch Freddie Hickes Velocette geschlagen. Im Senior-Rennen kam auch George Rowley zum Einsatz. Doch sollte es für AJS schlecht laufen, denn Handley stürzte in der ersten Runde, Tommy Spann fiel zwei Runden später aus. Longman bekam Probleme mit dem Motor und Rowleys Kupplung verbrannte.

Anzeige von 1928
Anzeige von 1928

Im folgenden Jahr 1930 war AJS wieder auf der Siegerstraße, als Jimmy Guthrie mit der wunderschönen 250er Cammy mit 64,11 mph die Lightweight gewann. Norton, Velocette, Chater-Lea und Moto-Guzzi verwandten zuvor auch OHC-Maschinen, doch nur AJS vertraute anstatt der Königswelle der Kette für den Antrieb der obenliegenden Nockenwelle. Eine weitere Besonderheit war die patentierte Kettenspannung nach System Weller.

Guthries Sieg konnte aber nicht verhindern, dass A.J. Stevens and Co. (1914) Ltd., wie die Firma offiziell hieß, in Konkurs ging. Neue Besitzer wurden die Erbauer der Matchless-Motorräder, die Familie COLLIER, die damals dem Rennsport keine Unterstützung zu kamen ließen.

Nach der Übernahme von AJS billigte die Firmenleitung jedoch eine gewisse Förderung der Fahrer George Rowley und Freddie Hicks, deren Verträge noch vor dem Konkurs unterzeichnet worden waren. Auf eigene Kosten fuhren die Herren George Himing in der Junior bzw. D. Brewster in der Senior. Katastrophal endete das Rennen für Hicks, der bei Union Mills tödlich verunglückte. Rowley wurde Neunter und Himing Vierzehnter. Es sah aus, als wären die großen Tage für AJS bei der TT vergangen. Bis zum Ausbruch des Zweiten Krieges machten Norton, Velocette, Rudge, New Imperial, Moto Guzzi, DKW, BMW und Excelsior die Siege unter sich aus. Die Anstrengungen von AJS waren ebenso krampfhaft wie erfolglos. Ein siebter Platz in der Senior 1934 war noch das beste Resultat, die Welt des Rennsports hatte sich letztendlich geändert. Dennoch war es für das Schicksal von AJS gut, dass die Vierzylinder und das Stachelschwein eingeführt wurden.

Die Geschichte hatte bewiesen, dass die Überlegungen von AJS aus dem Jahre 1935, sich auf mehrzylindrige Rennmaschinen zu konzentrieren richtig waren. Nur schade, dass die Anstrengungen in Form der wassergekühlten Vierzylinder und der "Porcupine" aufgegeben wurden.

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